«Wer die Augen öffnet, findet Spuren von Kolonialismus»
von Helen Lagger Susanne Bachmann ist Soziologin und Mitorganisatorin der «Tour de Lorraine». Im Gespräch erzählt sie, wie die diesjährige Ausgabe des Politfestivals unser Denken dekolonalisieren will.Susanne Bachmann, warum geht es in der diesjährigen Tour de Lorraine um Postkolonialismus?
Es ist höchste Zeit, die kolonialen Verwicklungen der Schweiz genauer unter die Lupe zu nehmen. Es geht schliesslich um die grossen Fragen:
Wie organisieren wir unser Zusammenleben so, dass alle gleichwertig Zugang haben? Was können wir dabei aus der Geschichte und von anderswo lernen?
Was genau meint postkolonial? Heisst das nicht, dass Kolonialismus vorbei ist?
Leider nein. Der Begriff «post» verweist darauf, dass koloniale Verstrickungen die Schweiz geprägt haben und dies weiterhin tun. Rassismus ist eine Form, in der Kolonialismus weiter besteht.
Kann Kunst die Welt dekolonialisieren?
Kunst kann auf bisher übersehene Aspekte – und das ist bei kolonialen Spuren ja oft der Fall – hinweisen.
Daher erhoffe ich mir von den Filmen, Performances, Diskussionen und Vorträgen des Festivals, dass sie mir als Weisser Person dabei helfen, das bisher schwer zu Entdeckende zu sehen.
Welche Spuren von Kolonialismus gibt es konkret in Bern?
Genau das wollen wir mit einer Veranstaltungsreihe herausfinden. Ich bin mir sicher: Wenn wir die Augen öffnen, können wir Spuren in unserem Alltag, zum Beispiel im Stadtraum finden, aber auch in unseren Köpfen, in den Parlamenten und in den Portemonnaies.
Habt ihr darauf geachtet, dass im Kulturprogramm möglichst viele Künstler*innen aus ehemaligen Kolonien zu Wort kommen?
Viele haben selbst Rassismuserfahrungen gemacht und gelten als «Andere» – zum Beispiel wegen ihres Aussehens oder ihres Namens. Auch wenn sie aus Bern stammen, wird manchen Menschen genau diese Zugehörigkeit abgesprochen.
Was sollte man am Festival auf keinen Fall verpassen?
Ich persönlich will mir die Performance vom Berner Schauspieler und Tänzer Mbene Mwambene anschauen. Er konfrontiert uns über Tanz und Storytelling mit den Erfahrungen als Schwarzer Mann in der Schweiz.
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