«Tanz ist eine Sprache»
von Katja Zellweger Edoardo Deodati, der die vierte Saison bei Konzert Theater Bern tanzt, macht sich an seine zweite Kurzstück-Choreografie. Im Porträt erzählt der Tänzer davon, wie wichtig es ist, der Persönlichkeit in der tänzerischen Interpretation Raum zu geben.Veranstaltungsdaten
Dass man ihn in Bern mittlerweile kennt, hat der Tänzer erfahren während des Lockdowns: «Zuschauer haben sich auf meinem privaten Facebook-Account gemeldet, mir und dem Ensemble alles Gute gewünscht, sich erkundigt. Das war sehr ergreifend, zu merken, dass unsere Kunst vermisst wird und unser Tun sinnvoll ist.»
Mit Körperkontakt und Schweiss
Dank einem von der Kantonsärztin abgesegneten Schutzkonzept kann das Ensemble als Gruppe proben – ohne Masken, aber abgeschottet. Das Ergebnis, sagt Deodati mit strahlenden Augen, sei Tanz ohne Corona-Anpassungen, also einfach Tanz, mit Körperkontakt, mit Schweiss, ohne Abstand.
Bis zur Generalprobe haben sie die nächste Premiere, «La Divina Comedia», erarbeitet. Pfannenfertig steckt das Stück von Miranda nun in der Warteschlaufe. Dennoch sei die Stimmung gut. Es fehlt einfach dieser Moment im Scheinwerferlicht und die Stille, bevor die erste Person zu klatschen beginnt.
Eine tanzende Gang
Im Dezember choreografiert Deodati sein zweites Kurzstück. Nach «Unknown Tongues», das er 2019 für die Tanzplattform «Next Generation» von Konzert Theater Bern schuf, kreiert er nun einen Teil des Abends «Piano Chapters» neben Edward Clug, Ed Wubbe und Bryan Arias. Deodati, dessen Gesten umso begeisterter ausfallen, je mehr er von seinem Projekt erzählt, hat sich für ein schnelles Allegro von Béla Bartók entschieden. «Es hilft mir, das romantisch-melancholische Bild von Klaviermusik zu brechen und meine Idee umzusetzen von einer Gang, die Energie aufs Publikum überträgt». Die tanzende Gang aus sieben Ensemblemitgliedern werde in farbenfrohen, gender-fluiden Kostümen auftreten. «Ich bin eine visuelle Person und es reizt mich, mit Kostümen, Bewegungsqualität und der Beziehung zwischen den Performern über unser Gruppenverhalten nachzudenken. Der Mensch hat die Tendenz, sich zu seinesgleichen zu gesellen, das Verhalten stiftet Einheit und Energie, aber es erzeugt auch Reibung».
Deodati legt Wert darauf, dass Performende mit ihrer Persönlichkeit sichtbar werden und sich im Erarbeitungsprozess einbringen können. «Als Tänzer habe ich sehr davon profitiert, wenn Choreografen meiner Persönlichkeit und meiner Perspektive Raum liessen. Wir sind keine Maschinen, sondern Menschen, das macht die magische Energie auf der Bühne aus.»
Diese Erkenntnis war es, die ihn nach Anfängen im Ballroom-Paartanz zur Ballettausbildung in Rom und –ohne ein Jus-Studium zu beginnen – direkt an die Codarts in Rotterdam zum zeitgenössischen Tanz gebracht hat. «Ballett war mir zu sehr fokussiert auf Ästhetik und Äusserlichkeiten. In Rotterdam traf ich ganz unterschiedliche Menschen, lernte Tanz als Sprache kennen, die jeder anders spricht. Und ich lernte, Bewegungen zu erforschen.»